Wussten Sie eigentlich …
… dass Tugenden Eigenschaften und Fähigkeiten eines Menschen sind, die dazu dienen, ein als sinnvoll betrachtetes Lebensziel zu erreichen? Tugenden sind damit per se wertvoll, da sie uns den Weg zu richtigem Handeln weisen können.
Von tugendhaft in die Tugendhaft?
Göttliche Tugenden sind Glaube, Liebe, Hoffnung. Platon benannte die übergeordneten Kardinaltugenden Weisheit, Mäßigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit. Bekannt sind uns allen auch die preußischen Tugenden Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß. In der modernen Welt werden solche Maximen zunehmend inflationär beschrieben, was nicht unbedingt für deren überdauernden ethischen Wert spricht. Eine Auswahl der zahlreich aufgelisteten Tugenden umfasst etwa Akzeptanz, Effektivität, Flexibilität, Gesundheit, Individualität, Innovation, Nachhaltigkeit, Professionalität, Selbstdisziplin, Toleranz, Tüchtigkeit, Unabhängigkeit, Willenskraft und Zielstrebigkeit. Das sind grundsätzlich keine schlechten Grundhaltungen. Die Ausgestaltung oder auch der Absolutheitsanspruch werden dabei aber schnell zum Problem. Eine richtig dosierte Medizin heilt, eine Überdosis kann töten. Der Mensch hat immer mehr das Ziel, die beste Version seiner selbst zu werden. Wir verkaufen es gerne so, dass für unsere Laster widrige Umstände oder andere Menschen verantwortlich sind. Tugenden werten wir gerne als eigenes Verdienst. Mal ehrlich: Erfahren Sie durch Ihre Tugenden alltagspraktische Unterstützung oder werden Sie von Ihren Prinzipien in moralische Beugehaft genommen? Eine Tugend, die schadet, kann keine Tugend bleiben. Laut Balzac gibt es ohnehin keine Tugend, die nicht von einem Laster begleitet wird. Wir alle kennen Menschen, die scheinbar völlig frei von Lastern sind, uns mit ihrer vorbildlichen Tugendhaftigkeit aber gefährlich auf die Nerven gehen. Wie so häufig braucht es den Schritt vom entweder – oder zum sowohl – als auch. Schultz von Thun vermittelt uns ein Werte- und Entwicklungsquadrat. Darin kann der Tugend Genauigkeit die Schwesterntugend Lockerheit zugeteilt werden, um Übertreibungen zum Perfektionismus oder zur liederlichen Achtlosigkeit zu vermeiden. Zuverlässigkeit kann mit Spontaneität gepaart werden, so dass weder Pedanterie noch Plan- und Ziellosigkeit alleine das Ruder übernehmen. Zum Nachdenken mag ein Aphorismus von Edgar Watson Howe anregen: „Bescheidenheit ist eine Eigenschaft, für die der Mensch bewundert wird, falls die Leute je davon hören sollten.“
Key Takeaway: Pünktlichkeit ist keine weltweite Tugend, sondern vor allem den Deutschen, Schweizern und Japanern wichtig. Der Zeitforscher Marc Wittmann legte in der Süddeutschen Zeitung kürzlich dar, dass Zuspätkommer eher erlebnisorientierte Menschen sind. Sie vergessen schnell die Uhrzeit, sind präsent im Moment, unterschätzen zwar eher den Zeitaufwand für Aufgaben, erfahren dafür aber mehr Flow-Zustände. Unpünktlichkeit trifft ja vor allem die Pünktlichen.
Wenn Sie mehr zu diesem Thema und über sich selbst erfahren wollen, nutzen Sie die persönlichkeitsbildenden caritasGROW-Angebote (www.caritas-grow.de).
Ihr
Dr. Stefan Gerhardinger